Hoffnung

von Carola, Mai 2021

Susi ist aus der Puste, ihr reicht ́s. Sie schnauft fürchterlich und geht die letzten Meter ganz langsam. Tony hätte ruhig mitkommen können, etwas Konditionstraining würde auch ihm guttun. Außerdem hat er bereits einen kleinen Bauchansatz. Doch als sie ihn heute Morgen fragte, hatte er nur gemurmelt „Sonntagmorgen null Bock auf joggen“ und sich wieder unter die Bettdecke gerollt. „Also sonntags nun wirklich nicht Schatz, das geht zu weit“. Vor dem Hauseingang macht Suse noch ein paar Dehnübungen, ihr Atem beruhigt sich langsam. Um Tony bei Laune zu halten, hatte sie beim Bäcker noch fix frische Schrippen geholt. Sie würde jetzt lieber Müsli mit Joghurt, frischem Obst und Cranberrys zum Frühstück essen, aber auf den Gesundheitskommentar von Toni hatte sie keine Lust. Sollte sie sich von Tony trennen? Lass ihn zischen, es gibt einen Frischen, hatte Carla gesagt als sie sich mal wieder bei ihrer Freundin beschwerte, weil Tony an den Wochenenden nur faulenzen wollte. Susi schaut zum großen Kastanienbaum. Die ersten Blätter waren schon braun. Schade, denkt sie und muss grinsen. Der Sommer mit Tony war langsam und sehr heiß. Das Wetter war eher durchwachsen aber die Nächte mit Tony waren wirklich heiß. Das mit dem Liebe machen, das hatte Tony drauf. Suse schließt die Wohnungstür auf. Sie schaut in die Küche und ist enttäuscht, kein Kaffeeduft, kein gedeckter Frühstückstisch. Sie steigt aus ihrer Sporthose, schmeißt sie in die Ecke des langen Flures, geht ins Schlafzimmer und versucht, Tony wach zu küssen. „Du riechst nach Schweiß, lass das“. „Miesepeter“ gab sie zur Antwort. „Ich gehe gleich duschen und dann mache ich uns ein leckeres Frühstück. Komm endlich aus dem Bett, es ist kurz nach zehn.“ „Ach Suse um zehn erst und du drängelst schon. Heute ist frei. Ja, geh duschen, dann frühstücken wir im Bett. Wir stehen später auf“und schon ist Tony unter der Bettdecke verschwunden. Suse entdeckt das Buch auf ihrem Nachttisch „Weit wie das Meer“ von Nicholas Sparks. Sie erinnert sich an den letzten Satz, den sie gestern gelesen hatte. „Nichts, was uns viel bedeutet, ist leicht“. Nicholas hat recht, geht ihr durch den Kopf, wie lange sucht sie schon nach einem Partner fürs Leben. Es ist wirklich nicht leicht, den Richtigen zu finden oder sind ihre Ansprüche zu hoch? Als Tony anfängt, leise zu schnarchen, schließt die Schlafzimmertür und geht in die Küche. Sie macht Kaffee und setzt sich an den Küchentisch am Fenster und schaut in den blauen Himmel. Vorsichtig nimmt sie ihr Handy und als sie die Dating App öffnet, lächelt Mike sie an. Suse zögert einen Moment, dann öffnet sie Mikes Profil und liest: „halte mich fit, an den Wochenenden gehe ich meist im Park joggen“. Suse überlegt kurz, lächelt und schickt ihm ein Smiley.